Freitag, 20. Oktober 2017

Gemeinsame Erklärung Deutscher Kinderschutzbund, Deutsche Liga für das Kind und VAMV: Wechselmodell als gesetzlich zu verankerndes Leitmodell ungeeignet



Die Justizministerkonferenz hat sich für eine Prüfung einer gesetzlichen Regelung des Wechselmodells ausgesprochen - kurz nach der vielbeachteten Entscheidung des BGH, dass das Wechselmodell unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann. In einer gemeinsamen Erklärung mahnen der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB), die Deutsche Liga für das Kind und der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) an, dass das Wechselmodell nicht zum Regelfall werden dürfe. Vorrang müsse immer das Kindeswohl haben.

Die Verbände weisen darauf hin, dass eine zeitlich annähernd gleichwertige elterliche Betreuung besondere Toleranz und eine belastbare Kommunikationsbasis der Eltern erfordert. Zudem ist das Wechselmodell oft kostenintensiver als das bisher überwiegend gelebte Residenzmodell und stellt
an die betroffenen Kinder wegen des Pendelns zwischen Vater und Mutter eine besondere Herausforderung dar.

Prof. Beate Naake, Vorstandsmitglied im Deutschen Kinderschutzbund, erklärt dazu: "Kinder wollen regelmäßig guten Kontakt zu beiden Eltern haben und sollten nicht aus diesem Loyalitätskonflikt einem Lebensmodell zustimmen, das sie nicht überschauen können. Daher muss ihnen klar verdeutlicht werden, was es für sie konkret bedeutet, ein Wechselmodell zu leben. Das Wechselmodell als gesetzlicher Regelfall würde diese Loyalitätskonflikte auf alle von Trennung betroffenen Kinder ausweiten."

"Das Wechselmodell ist ein anspruchsvolles Modell", sagt Erika Biehn, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV). "Die Eltern müssen trotz Trennung kooperieren und sollten idealerweise in räumlicher Nähe wohnen. Im Einzelfall ist es eine gute Regelung, als gesetzlicher Standard ist das Wechselmodell allerdings nicht geeignet."

Auch das Alter des Kindes ist bei der Wahl des geeigneten Betreuungsmodells zu berücksichtigen. Besonders für Kleinkinder bis drei Jahren ist ein paritätisches Wechselmodell mit Pendeln und Übernachtungen eher nicht zu empfehlen. 

"Im Einzelfall kann das Wechselmodell durchaus im besten Interesse eines Kindes liegen. Das berechtigt uns aber nicht, daraus eine Regelvermutung abzuleiten. Bei anhaltenden Konflikten der Eltern kann häufiges Pendeln zwischen Mutter und Vater für das Kind eine große Belastung sein", sagt Prof. Dr. Sabine Walper, Präsidentin der Deutschen Liga für das Kind und Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut.

Die Verbände sind sich darin einig, dass folgende Faktoren zu einem Gelingen des Wechselmodells beitragen: Das Kind sollte gleichwertige positive Bindungen an beide Elternteile haben, über das Wechselmodell altersgerecht informiert sein und es selbst wünschen. Die Betreuungsregelungen sollten vor und nach der Trennung weitgehend ähnlich sein. Auch müssen sich die Eltern flexibel auf sich verändernde Bedürfnisse des Kindes einstellen und gut miteinander kommunizieren und kooperieren können. Entscheidend ist zudem, dass die Eltern in räumlicher Nähe zueinander leben und die finanziellen Mittel haben, um die Mehrkosten zu tragen.
Kontakt:
Franziska Fischer, Pressesprecherin Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V., 
Tel.: 030 214 809-20, E-Mail: fischer(at)dksb.de

Prof. Dr. Jörg Maywald, Geschäftsführer Deutsche Liga für das Kind e.V.,
Tel.: 0178-533 90 65, E-Mail: post(at)liga-kind.de

Erika Biehn, Bundesvorsitzende Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV),
Tel.: 0176-96 77 06 35, E-Mail: biehn(at)vamv.de

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vertritt seit 1967 die Interessen der heute 2,7 Millionen Alleinerziehenden. Der VAMV fordert die Anerkennung von Einelternfamilien als gleichberechtigte Lebensform und entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Er tritt für eine verantwortungsvolle gemeinsame Elternschaft auch nach Trennung und Scheidung ein.

Donnerstag, 19. Oktober 2017

30 Organisationen fordern: "Gute Bildung für alle Menschen!"

Breites Bündnis macht sich für mehr Geld in der Bildung stark


 Mit Blick auf die jetzt beginnenden Koalitionsverhandlungen appelliert ein großes Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen und Gewerkschaften an CDU/CSU, FDP und Grüne, mehr Geld für die Bildung bereit zu stellen. "Deutschland braucht mehr und bessere Bildung für alle Menschen. So soll das Menschenrecht auf Bildung mit Leben gefüllt werden. Der Bund muss künftig zusätzliche Mittel in die Bildung investieren. Er soll Bildungsprojekte der Länder und Kommunen dauerhaft unterstützen. Dafür muss das Kooperationsverbot in der Bildung endlich komplett gestrichen werden", betonen die 30 Bündnispartner am Donnerstag in Berlin. "Geld ist genug da: Die öffentlichen Ausgaben für Bildung verharren bei 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Der OECD-Schnitt liegt bei 5,2 Prozent. Würde die Bundesrepublik so viel Geld für Bildung ausgeben wie die Staaten im OECD-Durchschnitt, stünden jährlich gut 26 Milliarden Euro mehr zur Verfügung."

Offensive für den Ausbau des Bildungswesens

"Deutschland braucht in dieser Legislaturperiode eine Offensive für den qualitativen und quantitativen Ausbau des Bildungswesens - von der Kita über alle Schulen und Hochschulen bis zur Weiterbildung - im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Nur so ist gesellschaftlicher Fortschritt möglich", unterstreichen die Organisationen. Dabei müsse die künftige Regierung auch international ihrer Verantwortung gerecht werden, indem sie den deutschen Beitrag zur Förderung von guter Bildung weltweit steigert und mehr für die globale Bildung tut.

Als dringende Aufgaben in Deutschland benennen die Bündnispartner den qualitativen und quantitativen Ausbau der Ganztagsangebote, ein Sanierungs- und Neubauprogramm für Schulen und Hochschulen - auch mit Blick auf Bildung in einer digitalisierten Welt -, ein Kita-Qualitätsgesetz sowie die Entwicklung eines inklusiven Bildungswesens. Für das Lernen aller Menschen Barrieren abzubauen und deren gesellschaftliche Teilhabe aktiv zu fördern, ist laut UN-Kinderrechts- und Behindertenkonvention Auftrag der politisch Verantwortlichen. Zudem sei die Weiterbildung, insbesondere in der Grundbildung und der digitalen Medienkompetenz, deutlich auszubauen. Außerschulische Bildungs- und Lernorte müssten stärker gefördert und mehr mit Schule verzahnt werden. Die Unterstützungsangebote für geflüchtete und asylsuchende Kinder, Jugendliche und Erwachsene seien zu erweitern und zu verbessern. "Gute Angebote und gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sind dabei zwei Seiten einer Medaille", sagen die Bündnispartner. "Bildung und Lernen brauchen mehr Zeit und Raum."

Gute Bildung ist ein Eckpfeiler der Demokratie

"Gute Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Menschen oder dem Wohnort abhängig sein. Für ein hochwertiges, flächendeckendes und soziales Bildungsangebot müssen Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen. Das Grundgesetz verlange bundesweit eine gleichwertige Ausstattung der Bildungseinrichtungen. Gute Bildung ist ein Eckpfeiler der Demokratie. Sie ist Voraussetzung für eine plurale, freiheitliche Gesellschaft, die gerade jetzt gestärkt werden muss", heben die Organisationen hervor. Bildung ermögliche den Menschen Teilhabe an der Gesellschaft, sie eröffne berufliche und persönliche Perspektiven.

Die Bündnispartner werten den wachsenden Personalmangel im Bildungsbereich als "gesamtgesellschaftliches Alarmsignal". Er beeinträchtige zunehmend Quantität und Qualität der Angebote. Deshalb müssten die Attraktivität pädagogischer Berufe verbessert und die Ausbildungskapazitäten erhöht werden. Zudem seien die selbstständigen Lehrkräfte sowohl in der Weiterbildung als auch an der Hochschule sozial besser abzusichern sowie das Befristungsunwesen an Unis und Fachhochschulen einzudämmen. "In Bildung und Wissenschaft müssen Dauerstellen für Daueraufgaben geschaffen werden. Außerdem benötigen zusätzliche Aufgaben zusätzliches Personal. Denn: Alles beginnt mit guter Bildung!", sagen die Organisationen.

Info: Diese Pressemitteilung wird von den folgenden 30 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften getragen:

Alevitische Gemeinde Deutschland e.V.
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
Attac Deutschland
Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi)
Bundesschülerkonferenz
Bundesverband der Träger Beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V. (BBB)
Bundesverband deutscher Schullandheime e.V.
Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. 
Deutscher Volkshochschul-Verband e.V.
Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
DIDF – Föderation Demokratischer Arbeitervereine e.V.
Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) 
freier zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) e.V.
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
Grundschulverband e.V. (GSV)
Internationaler Bund (IB)
Mach meinen Kumpel nicht an!
NaturFreunde Deutschlands e.V.
OWUS Dachverband e.V.
Oxfam Deutschland e.V.
Pestalozzi-Fröbel-Verband e.V. 
SoVD Sozialverband Deutschland
Sozialverband VdK Deutschland e.V.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV)
WUS World University Service
Zukunftsforum Familie e.V.

Die Daten der öffentlichen Ausgaben für Bildung in Deutschland sind der aktuellen OECD-Studie "Bildung auf einen Blick 2017" entnommen.

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vertritt seit 1967 die Interessen der heute 2,7 Millionen Alleinerziehenden. Der VAMV fordert die Anerkennung von Einelternfamilien als gleichberechtigte Lebensform und entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Er tritt für eine verantwortungsvolle gemeinsame Elternschaft auch nach Trennung und Scheidung ein.